Tag 33: Verbunden
Was soll ich mit dem Ehering machen? Das habe ich mich bald nach Veronikas Tod gefragt. Veronika musste ihren Ring schon einige Tage vor ihrem Tod ablegen: Durch die Lymphödeme waren die Finger so angeschwollen, dass die Gefahr einer Nekrose am rechten Ringfinger (nicht nur dort) bestand. Veronikas Ehering konnte nur noch mit einer Zange abgenommen werden, dazu musste er durchtrennt werden. Der aufgebrochene und aufgebogene Ring lag einige Tage auf Veronikas Schreibtisch.
Mir war es immer klar gewesen: Entweder wir tragen unsere Eheringe beide oder niemand. Wir hatten sie uns am 21. Mai 2001 an einem sonnigen Vormittag unter weiß-blauem Münchner Himmel gegenseitig angesteckt und uns etwas versprochen, bis dass der Tod uns scheiden würde. Das hat er nun getan, sonst hätte das wahrscheinlich niemand geschafft.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, was man mit Eheringen machen kann, die ihre Funktion verloren haben: Manche Witwer/n lassen die Ringe verflechten und tragen das Ergebnis als Witwerring. Das fühlte sich für mich komisch an. Andere legen die Ringe ins Grab. Zum Verbuddeln sind mir die zwei Ringe - immerhin aus Weißgold - zu schade. Ich habe mich entschieden, die Ringe ineinander hängen zu lassen: Mir scheint es eine schöne Sache: Über die Ringe sind Veronika und ich immer noch verbunden. Und ohne Brechzange nicht mehr zu trennen.Ich weiß ja nicht, was noch auf mich zukommt, was und wen das Leben mir noch bringt, momentan denke ich immer nur einen Tag weiter, aber Veronika ist ein wesentlicher Teil meiner Lebensgeschichte und Sonjas Mutter. Und das bringen die beiden Ringe - glaube ich - ganz gut zum Ausdruck. Woher kommt eigentlich dieses Piktogramm für "verheiratet"?
Mein Mann hat beruflich bedingt seinen Ring nie getragen, ich hab durch eine Autoimmunerkrankung zunehmend Schwierigkeiten mit geschwollenen Fingern bekommen und hab ihn einige Monate vor seinem Tod (ohne, dass wir wussten, dass er bevorstand) auch abgelegt. Aktuell weiß ich gar nicht, wo die Ringe "verbuddelt" sind, wahrscheinlich in irgendeinem Schmuckkästchen. Mir war recht schnell klar, dass ich eine Erinnerung an ihn auf meiner Haut tragen möchte, da er der Einzige war, der mir unter die Haut gegangen ist. Nun trage ich seine Unterschrift an meinem rechten Unterarm. Was oder wen auch immer die Zukunft noch bringt, mein Mann gehört zu meiner Biographie, jetzt auch sichtbar auf meinem Unterarm. Wer damit nicht klar kommt, hat in meinem Leben nichts verloren.
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