Tag 99: Ospizio Bernina - Sale Marasino
Unsere heutige Route bei Google Maps
(Nicht ganz akkurat, weil Google Maps hier nur die Straßenverbindung kennt.)
Heute verlassen wir die Schweiz, das Hochgebirge und die Berninabahn. Zunächst geht es noch den eindrucksvollsten Teil der Berninastrecke hinunter ins italienische Tirano. Der Zug arbeitet sich hier in mehreren Kehren von der Passhöhe hinunter ins Valposchiavo, zu Deutsch Puschlav. Wir haben Gott sei Dank traumhaftes Wetter. Weniger traumhaft ist das Pensionärsehepaar, das erst die Nase rümpft, als Sonja und ich uns in die 1. Klasse setzen, wofür wir auch Fahrkarten haben, und uns dann als Scheißdeutsche bezeichnet. Wenigstens lernt Sonja so, dass es überall auf der Welt A...löcher gibt, auch in ihrer geliebten Schweiz.
Von Tirano geht es mit dem Bus über Aprica nach Edolo im Valcamonica. Und von dort weiter nach Süden bis Sale Marasino am Iseosee. Je weiter man sich von den Schweizer Bergen entfernt, umso lieblicher wird die Landschaft. Isa ist ein super Reisehund. Sie macht alle unsere Fahrten problemlos mit, wahlweise auf der Hundematte oder auf einem menschlichen Schoß, sie hat ja stets zwei zur Auswahl.
Gegen 16 Uhr erreichen wir in der milden Nachmittagssonne den Ort Pisogne am Nordufer des Iseosees. Ich erinnere mich noch gut an die steile Küste, die hier fast senkrecht ins Wasser abfällt. Hier waren wir zuletzt 2017, einige Wochen vor Veronikas vernichtender Diagnose. Da der Tumor erstmalig im November 2017 nachgewiesen wurde, ist es medizinisch gesehen ziemlich sicher, dass der Krebs schon sein Werk begonnen hatte, als wir ahnungslos unsere Urlaubstage genossen.
Wir kommen gegen 18 Uhr in unserem Quartier an. In Italien ist für mich die angenehmste Form der Unterkunft immer ein B&B, ein Bed and Breakfast. Ich erinnere mich wehmütig und innerlich lachend zugleich an Veronika: Ich habe an anderer Stelle bereits erwähnt, dass sie stets sehr ordentlich war: Während ich nach der Ankunft an einem Urlaubs- oder Etappenziel erstmal die unmittelbare Umgebung unseres Quartiers erkundete, packte Veronika erstmal aus, alle Kleidungsstücke kamen in den Schrank. Ich hingegen konnte und kann wunderbar tagelang aus dem Koffer leben. Dabei finde ich stets nach dem Haufenprinzip das für den jeweiligen Tag passende Kleidungsstück. Das wichtigste war und ist für mich, wo es am Ort eine Bar, ein Restaurant oder Attraktionen gibt. Bei Veronika musste hingegen auch in den Ferien Ordnung herrschen und so wanderte der Inhalt ihres Rucksacks (bis ca. 2012) bzw. Koffers (ab ca. 2013) sauber geordnet in den Kleiderschrank unseres Feriendomizils. Das war teilweise auch so, wenn wir nur einmal (!) an einem Ort übernachteten.
Ich wusste manchmal nicht, ob ich das nervig oder lustig finden sollte und klassifizierte die Ordnunsgliebe meiner wunderbaren Frau für mich als "schrullig". Das war nicht abwertend, brachte aber in liebevoller und etwas neckischer Weise mein Unverständnis zum Ausdruck, wie sie die knapp bemessene Urlaubszeit mit so etwas Unnutzem wie Schrankeinräumen und kurz darauf wieder Ausräumen verbringen konnte. Es wurde zur Gewohnheit, dass ich oft schon ein Restaurant aufgetan hatte, in dem wir essen gehen konnten, während sie für Ordnung gesorgt hatte. So haben wir uns auch hier hervorragend arrangiert.
Mit Sonja sieht es heute anders aus: Rein ins Zimmer und - ganz neu - das örtliche WLAN einem Härtetest unterziehen. Auf Veronikas und meinem ersten Urlaub im Sommer 1997 hatten wir noch nicht mal das Internet gekannt. Während ich das hier schreibe, sitze ich in einem Zimmer mit WLAN, das mit Pauken und Trompeten durchgefallen ist, deshalb veröffentliche ich diesen Post hier auch so spät.
Bahnhof Cavaglia (Rhätische Bahn) |
Lago di Poschiavo |
Iseosee bei Pisogne |
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