Tag 370: Die Macht des Schicksals

Die Überschrift dieses Beitrags ist auch der Name einer Oper von Giuseppe Verdi. Der Schicksalsbegriff ist in so ziemlich allen Kulturen bekannt und steht für eine Abfolge von Ereignissen, die sich der Kontrolle der Menschen entzieht. Gemeinhin kommt sie von einer höheren Macht. Hier kommen gerne eine oder mehrere Gottheiten ins Spiel, je nach religiöser Weltanschauung. Das Ganze, ob erfreulich oder unerfreulich, wird den Menschen eben geschickt. Das schließt negative und positive Ereignisse gleichsam mit ein. 
Besonders unerfreuliche Ereignisse und deren Folgen werden gerne auch als Schicksalsschlag bezeichnet. So wie ein Schlag ins wehrlose Gesicht.

Eine Krebsdiagnose ist natürlich ein klassisches Beispiel für so einen Schicksalsschlag. Eine erneute Krebsdiagnose bei einem Rückfall ist wie ein Schlag in die Kniekehlen, wenn man gerade wieder aufgestanden ist. Auf solche Schläge würde man sehr gerne verzichten. Es waren nur unglückliche Ereignisse, die so verkettet waren, dass ich mit 47 das Prädikat Witwer bekam.

Das Schicksal kommt aber nicht immer komplett in schwarz daher, es kann auch für so etwas wie Lottogewinne oder andere Glücksmomente verantwortlich sein. Ich habe in dem nun hinter mir liegenden Trauerjahr langsam lernen dürfen, dass das Schicksal auch für Sonja und mich Gutes bereit hält. Scheinbar unwichtige Ereignisse können auf lange Sicht positive Folgen haben. Auch das ist die Macht des Schicksals: Es spielt manchmal ein scheinbar undurchsichtiges Spiel und nimmt überraschende Wendungen, die dann - in meinem Fall - zur Versöhnung mit der zuvor unerbittlich harten Macht führen:

Vor etwas mehr als zwei Monaten  - der Frühling lief gerade auf Hochtouren - hatte ich einen freien Mittwochnachmittag. Ich entschloss mich spontan zu einem kurzen Besuch auf dem Göttinger Weinfest, einem Straßenfest, das immer Anfang Mai stattfindet. Ich ergreife Gelegenheiten "unter Leute" zu kommen gerne beim Schopf, denn durch meine Freiberuflichkeit im Home Office und als alleinerziehender Vater habe ich nicht so viele soziale Kontakte. Zudem ist Sonja alt und reif genug, mal ein paar Stunden Haus und Hund zu hüten. Als ich gegen 17 Uhr das Haus verließ, wusste ich noch nicht, ahnte ich noch nicht, was das Schicksal diesmal für mich bereit hielt:

Ich kam an jenem sonnigen Frühlingstag mit einem Menschen ins Gespräch, mit dem ich überraschend viele Ansichten, Werte und Interessen teilte. Wir stellten schnell fest, dass wir nicht nur einen fast deckungsgleichen Musikgeschmack und ähnlichen Humor haben, sondern auch die Vorlieben für Reisen und Hunde teilen. Uns wurde bald klar, dass wir gerne mehr Zeit zusammen verbringen wollten. Mit dem Wissen um unsere unterschiedlichen Vorgeschichten setzen wir seitdem zusammen einen Fuß vor den anderen und freuen uns über das was ist und auf das, was kommt, nach dem Motto: "Nichts  muss, alles kann." Es hat eben auch etwas Schicksalshaftes, wenn sich zwei Menschen begegnen, die sich unerwartet viel zu erzählen und zu geben haben. 

Nach dem Ende des Trauerjahres blicke ich heute zwar immer mal wieder wehmütig zurück, aber auch mit wachsender freudiger Erwartung nach vorne. Und dafür bin ich dem Schicksal gerade sehr dankbar. 

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