Tag 415: (Liebes-)Geschichten

Heute wurde ich auf diese Doku im WDR aufmerksam. Sie wurde im Frühjahr dieses Jahres ausgestrahlt und ist über die Mediathek abrufbar.

Link zum Beitrag in der WDR-Mediathek

Sie heißt: "Und plötzlich kamst Du! Verwitwet und wieder verliebt". Das Thema ergibt sich aus dem Titel. Es sind zwei Geschichten, einmal die Kombination Witwe-Witwer und einmal die Kombination Witwer-"Nichtwitwe".

Ich finde die beiden Geschichten einfühlsam aber nicht gefühlsduselig erzählt. Und ich finde mich natürlich teilweise - aber wirklich nur teilweise - selbst in den beiden Erzählsträngen. Die beiden verwitweten Personen haben sich über die Website verwitwet.de kennen gelernt, eine mir ebenfalls bekannte Online-Community. Auch ich kam über diese Website schnell in den intensiven Austausch mit anderen, auch mit Witwen aus dem erweiterten Umkreis. Ich habe bereits an anderer Stelle (Link zum Beitrag vom 26.11.2024) geschrieben, dass nach meinem Dafürhalten natürlich viele Berührungspunkte bestehen, wenn sich zwei verwitwete Menschen begegnen. So etwas kann, muss aber nicht, Nährboden für eine neue Liebe sein, vielleicht auch im Sinne einer Schicksalsgemeinschaft?

Mit noch mehr Interesse habe ich die Geschichte des anderen Paares verfolgt: Er in den 40ern, Witwer mit einer Tochter, Verlust der Ehefrau durch Krebserkrankung. Sie eine Bekannte aus einem Tanzverein, somit gemeinsames Hobby, irgendwann wurde mehr daraus, am Ende des Beitrags sind sie verlobt, heute wahrscheinlich verheiratet. Sie, wie im Beitrag zu sehen ist, in dem vollen Bewusstsein, "die zweite" zu sein, was bei ihr erkennbar eine gewisse Resignation auslöst. Auch bei diesem Paar die spannende Frage: Wie geht das Kind mit der Situation um? Papa muss nicht mehr allein schlafen, aber die elfjährige Tochter schon. Man sieht im Film mehrere Aufnahmen von Vater, Freundin und Tochter als Dreiergespann bei irgendwelchen Aktivitäten - eine mir nicht unbekannte Konstellation. 

In einem Punkt finde ich mich definitiv nicht wieder: Der Vater erwähnt an einer Stelle, es fühle sich manchmal an wie Betrug an seiner verstorbenen Frau. Das ist ein Gedanke, den ich nicht nachvollziehen kann. Ich bin vor 415 Tagen allein im Diesseits zurückgeblieben und habe Veronika ganz bewusst gehen lassen, auch wenn es weiß Gott nicht leicht fiel. Ihren letzten Weg in dieser Welt ist sie erhobenen Hauptes gegangen und wir hatten über das "Danach" sprechen können. Ich musste meinen Weg im Diesseits finden und gehen und er hat mich dahin geführt, wo ich bin, im Hier und Jetzt. Und ich habe mich entschieden, diesen meinen Weg bis auf Weiteres mit Eva zu gehen. 

Der Film stellt die Frage, ob eine neue Liebe funktionieren kann, wenn die große Liebe erst vor kurzem gestorben ist. Für die beiden Paare in der Doku kann es offenbar funktionieren und ich merke gerade, dass für mich an dieser Aussage etwas daran ist. 

Ich persönlich finde den Begriff "die große Liebe" ohnehin ein wenig zu pathetisch. Warum? Wegen des bestimmten Artikels "die". Er impliziert, dass es im Leben eines Menschen nur die eine große Liebe geben kann. So etwas halte ich für vermessen. Die Qualität einer Liebe misst sich nicht in groß oder klein, ist nicht quantifizierbar im Sinne einer Skala von eins bis zehn, wobei eins für eine unbedeutende Schwärmerei und zehn für diese eine Liebe, die nie zu Ende gehen wird, steht.

Die Tochter des verwitweten Mannes bringt es auf den Punkt, als sie über die neue Freundin des Vaters und ihre verstorbene Mutter spricht: "Ich muss sie auch gar nicht vergleichen. Sie sind beide toll." Gibt es ein schöneres Kompliment für einen Menschen als "unvergleichlich"? 

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